Audiotagebuch zum anhören
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GPX Datei vom Andermatt zum St. Gotthard Pass zum runterladen
Übernachtet hatten wir bei „Schlafen im Stroh“, eine preisgünstige Schlafgelegenheit mit Frühstück. WLAN gibt es keins, Handy funktioniert gut, wie fast überall in der Schweiz. Die Schweizer sind Deutschland da weit voraus. Der Wirt ist nett, das Frühstück gut. Auch die Mitschläfer waren nette Leute, so dass manch gutes Gespräch zustande kam.
Morgens wurden wir von Allen verabschiedet, da natürlich jeder meinen neuen Benpacker sehen wollte, der heute seine Feuertaufe bestehen musste, beim Aufszieg auf den St. Gotthard von 1440m in Andermatt auf 2106m ü. NN. Der heutige Bericht steht also auch unter dem besonderen Gesichtspunkt wie wir beiden miteinander auskommen. Schaffe ich das, die Mehrbelastung an steilen Stellen? Bringt das wirklich eine Entlastung für meine lädierten Knie und den vom schweren Rucksack schmerzenden Rücken? Der Bericht ist dadurch auch etwas länger, und geht heute weniger auf die wunderbare Umgebung ein, dafür mehr auf mein Befinden mit dem Benpacker.
Erstmal ging es sanft bergan, durch das recht weite Tal von Andermatt, Richtung Hospental. Kurz vorher kamen die ersten schmalen Wege und eine Brücke.
Auf den Bildern sieht das etwas missverständlich aus. Der Benpacker wird nicht mit der Hand gezogen. An den Griffen sind Seilzüge für die zwei Scheibenbremsen. Die habe ich in der Hand. Um die Hüfte ist ein breiter, gut gepolsterter Gurt, an dem der Benpacker festgeklickt wird.
In Hospental stellte Hubert fest, dass er seine Wanderstöcke vergessen hatte. Ein Anruf beim Wirt, und er brachte sie ihm netterweise mit dem Auto hinterher. Wie ich schon schrieb, ein netter Mensch!
Die Stöcke konnte er auch gut gebrauchen. Jetzt gingen die Steigungen los. Erst in Serpentinen Strasse und Feldweg, dann einen ganz schmalen Singletrail hoch. Der war richtig steil, sehr eng und hatte ganz enge Kehren. Eigentlich alles pures Gift für einen Anhänger an der Hüfte. Ich war erstaunt, dass das doch eigentlich ganz gut ging. Natürlich ist das recht anstrengend, aber da ich auf den normalen Wegen etliches an Kraft gespart habe, konnte ich hier den Mehraufwand aus den Reserven nehmen. Auch wenn das immer wieder, vor allem im späteren Verlauf, ganz hart an der Grenze war, und sicher auch für andere deutlich so aussah, bin ich auf dem folgenden, total unwegsamen Gelände immer durchgekommen.
Der Weg durch das Tal wurde immer unwegsamer. Gut ging es auf den unbefestigten Strecken, wie den den Wiesen auf dem obigen Bild. Dann gab es Stücke, da war früher mal ein Weg. Der war durch die Jahrzehnte zerstört, und es ging sehr holprig über große Steine, bis zu einem halben Meter Durchmesser. Die Krönung waren einige Stellen, da querten eingeschnitte Bäche den Weg. Hier ging es Steilhänge in den Bach hinein und wieder hinaus. Hier musste ich den Benpacker dann erst abschnallen. Er lässt sich vorwärts gut mit den angezogenen Bremsen auch steile Hänge hinabmanövrieren. Auf der anderen Seite dann wieder steil hinauf, mit viel Kraft. Hubert, der an solchen Stellen immer besorgt wartete, musste nirgends helfend eingreifen.
Jetzt mal ein paar Impressionen des Weges, und der herrlchen Umgebung. In meiner App waren mehrere Strecken rot gekennzeichnet, das bedeutet Steigung über 20%.
Auf dem obigen Bild sieht man ein Gebäude. Es ist etwa so groß wie eine Kirche. Wir haben nicht herausbekommen, was das für ein Bauwerk ist. Kurz unterhalb flossen zwei Bäche zusammen, und es gab ein paar niedrige Bäume. Die letzten am Wege für heute. Hier machten wir Pause. Ich versuchte die Füsse von einer kleinen Bretterbrücke in den Bach hängen zu lassen. Das ist aber Gletscherwasser und sehr kalt. Mehr als 10 sec konnte ich nicht aushalten, dann fing es an zu schmerzen.
Hubert zog sich unerschrocken aus, und ging beim Zusammenfluss der beiden Bäche ins Wasser. BRRRRR!
Weiter ging es. Der Weg wurde noch einmal steiler und schlechter. Zumindest der Mensch spürte seine Grenzen. Ob der Benpacker auch, weiß ich nicht. Er hüpfte schon mächtig über die großen Steine, aber es fand sich hinterher kein Defekt. Ganz neu sieht er aber nicht mehr aus. 😉
Ein Stück ist mir in besonderer Erinnerung. Es ging auf Betonstufen und Gitterwegen unter einer Straße durch. Bergab wieder mit dem Benpacker vorne, das ging gut. Dann gewendelte steile und enge Treppen wieder hoch. Der Benpacker schaffte das alles, aber ich war hinterher auch erstmal geschafft. Der Weg verlor sich danach oft völlig im Felsenmeer, und blieb steil bis oben, wo wir dann kurz vor dem Gipfel nur noch auf abgeschliffenen Felsen liefen.
Tja, und dann waren wir da, Hubert und ich. Der Pass ist nicht wirklich eine schöne Stelle, auch wenn es dort auf über 2100m einige kleine Seen gibt. Aber es war ein sehr ergreifender Moment für uns Beide. Wir mussten doch schwer schlucken. Ich bin über 1600km gewandert um an diesen Punkt zu kommen. Es ist der höchste Punkt auf meiner Reise von Hamburg nach Genua. Die letzten Tage ging es über mehrere Etappen fast 2000 Höhenmeter hinauf, das ist für den Sauerländer schon eine ganze Menge. Speziell für mich war es in den letzten Tagen mit einigen Schmerzen verbunden. Alles war verflogen. Wir genossen den Moment und versuchten niemanden die Tränen in den Augenwinkeln sehen zu lassen. 😉
Jetzt noch einmal mein Fazit zu uns beiden, dem Benpacker und mir.
Das war ein schwerer Aufstieg. Es ging etwa 770m hoch, durch sehr schweres Gelände. Ich habe das im vorstenden Bericht beschrieben. Auch nur mit einem Rucksack wäre ich hier heftig ins Schwitzen und Keuchen geraten. Dabei hätte ich heftige Schmerzen im lädierten Knie gehabt, und der Rücken hätte vom 18kg Rucksack massiv geschmerzt. Bedingt durch die lange Strecke von über 1600km, und meinem Alter von 63 Jahren, ist der Körper einfach irgendwann überlastet. Diese Grenze hatte ich in den letzten Tagen fast erreicht, und musste mir eine Alternative zu meiner bisherigen Tragetechnik des Rucksackes ausdenken. Sonst wäre ich nicht bis Genua gekommen. Der Benpacker scheint die Alternative zu sein, ich werde weitwr berichten.
Geschwitzt habe ich hier auch. Es war wirklich an manchen Stellen deutlich anstrengender, als wenn ich nur mit dem Rucksack gelaufen wäre. Etwas langsamer war ich auch. ABER! Ich habe keine Schmerzen in Knie umd Rücken gehabt. Auf etwas geraderen Strecken habe ich viel Kraft gespart, die mir dann an den steilen Stellen zur Verfügung stand.
Wenn ich das jetzt versuche auf normale Wanderrouten zu übertragen, die ja normalerweise deutlich weniger extrem sind, dann denke ich, ich werde in der Zukunft sehr viel entspannter wandern, und auch nicht mehr auf jedes Gramm Gewicht achten müssen. Es ist dem Benpacker egal, ob er ein Kilo mehr oder weniger trägt, und ich merke es nur bei extremen Steigungen. Der Benpacker und ich sind ab jetzt unzertrennliche Freunde.